KPV-Logo

Rollen für die Welle

Beitrag vom 31. Mai 2024

Rollen für die Welle

Ohne Verpackungen aus Wellpappe blieben die meisten Regale leer – und auch im Online- Handel ginge nichts mehr. Das zeigt ein Blick hinter die Kulissen von Kunert Wellpappe in Biebesheim.

Ein paar Meter hoch und Tonnen schwer stehen die Rollen in langen Reihen nebeneinander in einer offenen Halle auf dem Hof – bereit für den nächsten Schritt. Der geht schneller, als man denkt: 65 bis 70 dieser Giganten aus Papier werden hier jeden Tag zu hochwertiger Wellpappe verarbeitet, hier in der Wellpappenfabrik Biebesheim.

Wellpappe, das Produkt – und das Rohmaterial im Außenlager: Mittendrin steht Firmenchef Andreas Kunert.

Das nachhaltige, fast komplett aus Altpapier hergestellte Produkt wird überall gebraucht, wo Waren für einen sicheren Transport verpackt werden sollen: vom Ersatzteil über die Kaffeemaschine bis zum Fahrrad, von Tütensuppen über Milchprodukte bis zu Wein, von der Deko im Online-Handel bis zur Pizza beim Italiener. Allein die Supermärkte haben bundesweit Zigtausende Filialen, die jeden Tag mit Waren versorgt werden – in der Regel geschützt durch Wellpappe.

„Es gibt praktisch kein Produkt, das auf dem Weg vom Hersteller bis zum Verkauf im Laden und infolge des Online-Handels oft sogar bis zum Endkunden nicht in Wellpappe verpackt wird“, erklärt Andreas Kunert beim aktiv-Besuch.

An der Faltschachtelklebemaschine: Maschinen- und Anlagenführer Jens Stark und Andreas Kunert.

Er ist Chef des Familienunternehmens Kunert Wellpappe, das an seinen beiden Standorten im hessischen Biebesheim und im bayerischen Bad Neustadt an der Saale jedes Jahr mehr als 100.000 Tonnen Wellpappe produziert. Kunert, natürlich ein großer Fan des nachhaltigen Produkts, betont: „Wellpappe ist eine echte Kreislaufverpackung, denn aus Altpapier und Kartons kann immer wieder neues Papier und damit auch neue Wellpappe entstehen.“

Rollen für die Welle – Hohe Energiekosten sind schwer an Kunden weiterzugeben

Die rund 150 Meter lange Wellpappenanlage läuft in Biebesheim im Zweischichtbetrieb fünf Tage die Woche. Hier werden glatte Papierbahnen durch Riffelwalzen geführt, über Wärme, Feuchtigkeit und Druck zu Wellen gerollt und bei etwa 160 Grad Celsius mit Leim zwischen zwei Papierbögen geklebt.
Vor der Weiterverarbeitung muss alles vollständig trocknen. „Die Energiekosten sind entsprechend hoch und leider nur schwer an die Kunden weiterzugeben, müssen also durch andere Maßnahmen aufgefangen werden“, erläutert Kunert.

In der Regel beliefern Wellpappenwerke ihre Kunden nur in einem Umkreis von gut 200 Kilometern rund um das jeweilige Werk, sofern es nicht um spezielle Anfragen geht. „Bei den Preisen, die die Verpackungen kosten dürfen, wäre alles andere wegen der Transportkosten einfach zu teuer“, erklärt der Unternehmer.

Weiterbildung vor Ort: Techniker Lukas Klümper vom Maschinenbauer Enpro (Zweiter von links) schult Kunert-Mitarbeiter an einer Maschine, die auch Klebestreifen an Versandkartons anbringt.

Ohnehin stehe die Wellpappen-Industrie unter großem wirtschaftlichen Druck, betont er. Infolge der nachlassenden Konjunktur werden weniger Waren verkauft und damit auch weniger Verpackungen gebraucht. 2023 sank der Absatz der Branche im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 8 Prozent. Die Verluste beim Umsatz fielen mit einem Minus von 13,8 Prozent sogar noch härter aus. Ein ähnlich starkes Absinken beim Umsatz hatte die Wellpappen-Industrie zuletzt im Zuge der Finanzkrise 2009 erlebt.

Dennoch bleibt Kunert optimistisch, auch in Zukunft will er in seinem Unternehmen auf Flexibilität, engen Kontakt zu den Kunden und die individuelle Entwicklung passgenauer Verpackungen setzen.

Rollen für die Welle – Von Faltschachtel bis Gefahrgutverpackung

Aktuell reicht die Bandbreite von kleinen Faltschachteln bis zu Schwergut-, Schüttgut- und Gefahrgutverpackungen mit mehreren Wellen. So etwas benötigt unter anderem die nahe gelegene Chemie-Industrie in der Rhein-Main-Region.

Der Betrieb hat außerdem eine hohe Kompetenz beim Bedrucken der Wellpappe entwickelt. „Auch bei der Wellpappe ist Individualisierung immer mehr gefragt“, sagt Kunert. Zudem müssen die Verpackungen exakt in die Produktionsanlagen der Kunden passen. Denn sie werden dort automatisch eingelagert, entlagert und entpackt, in die Maschinen eingelegt, Stück für Stück aufgerichtet, befüllt, verschlossen und schließlich verschickt. „Auch das ist für uns eine tägliche Herausforderung“, erklärt der Firmenchef, „da Verpackungsmaschinen auf hundertstel Millimeter genau konstruiert werden. Und dann kommen wir mit einer Verpackung, die mit Toleranzen von bis zu zwei Millimetern hergestellt wird – und trotzdem funktioniert es am Ende immer reibungslos.“

Rollen für die Welle – Viele Mitarbeiter feiern eine langjährige Betriebszugehörigkeit

Dass alles reibungslos funktioniert, dafür sorgt hier auch die engagierte Belegschaft. Viele sind bereits seit vielen Jahren dabei, etliche in der zweiten oder sogar schon in der dritten Generation.

Hört genau, ob die Inliner-Anlage perfekt läuft: Maschinen- und Anlagenführer Harald Markgraf.

So wie Harald Markgraf, 30 Jahre bei Kunert, der allein anhand der Geräusche hört, ob bei der Inliner-Maschine alles perfekt läuft, die aus großen Wellpappenbogen Verpackungen macht. Sinan Alp wiederum überwacht seit 34 Jahren über eine Leitwarte die Wellpappenanlage: „Das ist die dritte, seit ich hier arbeite, und die hat 15 Millionen Euro gekostet. Das macht mich schon stolz.“

Hat alles im Blick: Maschinen- und Anlagenführer Sinan Alp überwacht in der modernen Leitwarte die Abläufe in der 150 Meter langen Wellpappenanlage.

„Stressfest und fit für die Zukunft“ – ein Artikel von Maja Becker-Mohr. Erscheint am 01. Juni 2024 in der Wirtschaftszeitung aktiv

FOTOS: AKTIV/GERD SCHEFFLER (7)


Zwei Hände halten eine Rolle Klebeetiketten

Pack's an!

Die Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in Deutschland. Wir bilden in 15 Berufen aus und ermöglichen Weiterbildungen sowie Studium.

© 2013-2024 Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e.V.

Diese Website verwendet Cookies. Bitte akzeptieren Sie Cookie-Richtlinien, um alle Funktionen zu nutzen.